Ich hatte also viel wildes Land und eine Kiste voll mit Samen, aber eine dichte Grasnarbe machte es schier unmöglich hier schnell etwas anbauen zu können. Ganz pragmatisch dachte ich, dass es nur einen Weg geben würde um ans Ziel zu kommen: der Acker musste umgegraben werden. Bewaffnet mit Grabgabel und Spaten startete ich im März 2017 den ersten Versuch auf 1500 Quadratmeter Acker meine Beete anzulegen. Der erste Tag brachte Blasen an meinen Händen, der zweite den Muskelkater. Verzweiflung machte sich breit denn ich hatte gerade mal 20 Quadratmeter geschafft. Die Erkenntnis das ich Wochen und Monate benötigen würde machte mir schwer zu schaffen. Sollte der Traum vom Gemüsegarten bereits am Anfang scheitern? Nein, mein Wille war groß! Irgendwie musste ich vorwärtskommen, auch andere haben das geschafft, ich werde das auch hinbekommen! Ich recherchierte und fand einen Anbieter von Landwirtschaftsgeräten der Motorhacken vermietete. Ich machte einen Termin für den nächsten Tag und mietete eine 90 Kg schwere Motorhacke. Leider war das aus dem Fenster geschmissenes Geld. Die Grasnarbe war so dicht das ich mit der Motorhacke noch schlechter vorwärtsgekommen bin als mit der Grabgabel. Frust machte sich breit, doch wenn die Verzweiflung am größten ist kommt von irgendwo ein Lichtlein daher. Ok es war kein Licht, es war ein lauter Traktor, aber der brachte mich auf eine geniale Idee. Da mein Grundstück direkt an das Grundstück eines Bauern grenzte und die Vorbesitzer dort keinen Zaun gezogen hatten, bin ich einfach zum Bauern gegangen und habe ihn gefragt ob er seinen Pflug auch durch einen Teil meines Gartens ziehen könnte. Ein grimmiges „Nein“ war seine direkte Antwort: „So etwas mache ich nicht, ich weiß ja nicht was da unter der Erde liegt, Steine könnten meine Gerätschaft beschädigen“. Aus der Traum vom schnell erledigten Job, aber das war meine einzige Hoffnung es doch noch irgendwie zeitlich zu schaffen. Also bot ich ihm Geld an: 100 Euro. Und siehe da, bling bling wurde das Gesicht des Landwirts schon freundlicher. Er sagte zu mir, ich solle jetzt 1 Stunde mit der Grabgabel probeweise die Erde umgraben um nach Steinen zu suchen. Sollte ich keine finden, würde er seinen Pflug auch durch meinen Garten ziehen. Was soll ich sagen, happy hoch zwei schnappte ich mir die Grabgabel und dann ging es auf meinem Acker voll zur Sache. Nach zwei Stunden hatte ich weitere Blasen an den Händen und keinen einzigen Stein gefunden. Der Bauer überzeugte sich selbst und dann war der große Moment gekommen: Ein Traktor im Garten, das sah echt ulkig aus! Der machte da 15 Minuten rum, und Schwups die Wupps sah der halbe Garten ganz anders aus. Ihr könnt Euch mein breites Grinsen auf den Lippen nicht vorstellen! Aber mein Nachbar, der hat mich gesehen und meinte, ich hätte wie ein Honigkuchenpferd über beide Backen gelacht und gestrahlt. Auf einmal war mein Gemüsegarten in greifbarer Nähe. Die innere Zufriedenheit, die ich verspürte war großartig. Ich wusste in diesem Moment, dass es bald losgehen könnte. In weiser Voraussicht und aufgrund einiger Bäume habe ich erstmal nur einen Teil des Gartens pflügen lassen, einen großen Teil habe ich sogar komplett wild belassen. Zum einen, weil ich extrem neugierig war, was da so an Wildpflanzen wachsen würde, und zum anderen, weil ich unmöglich im ersten Jahr 1500 Quadratmeter an Gemüseanbau geschafft hätte. Ich habe es nicht bereut, das kann ich vorweg schonmal sagen. Fasane brüteten in meinem Garten und versteckten sich regelmäßig vor den Treibjagden der lokalen Jäger. Im hohen Dickicht fanden diese Tiere Schutz und ich war stolz das so etwas wunderbares in meinem Garten passierte. Es hatte aber auch noch viele weitere Vorteile: Im Frühjahr summte und brummte es in den wilden Arealen als erstes und diverse Wildpflanzen machten mich neugierig, aber dazu erzähle ich Euch später etwas mehr.
Offiziell startete ich meinen Gemüseanbau am 17.04.2017, aus heutiger Sicht etwas zu spät, aber gibt es eigentlich ein zu spät im Gemüseanbau? Nein, es gibt für viele Kulturen ein Timing an das man sich halten sollte um optimale Ergebnisse zu erzielen, aber es gibt keinen universellen Anbauplan wann man was anpflanzen sollte, dass schonmal vorweg. Als erste Kulturen pflanzte ich Kartoffeln, Erbsen, Zwiebeln, Zucchini, Knoblauch und Dicke Bohnen direkt ins Freiland. In einem selbstgebauten Gewächshäuschenschrank wuchsen derweil die etwas empfindlicheren Kulturen wie Tomaten oder Paprika heran. Stück für Stück verwandelte sich der Acker in einen Gemüsegarten. Die erste Ernte in meinem Garten war kein Gemüse, sondern eine Wildpflanze die bei mir recht stark vertreten war und bis heute in meinem Garten willkommen ist, es war der Ackerschachtelhalm. Neugierig, was das für eine Pflanze war, informierte ich mich. Ich lernte sie vom Sumpfschachtelhalm zu unterscheiden und trocknete die Ernte Büschelweise. Die Kieselsäure im Ackerschachtelhalm ist ein Segen für menschliche sowie pflanzliche Zellen da es die Zellwände schützt und stärkt. Mit dem Ackerschachtelhalm wurde Unkraut für mich zum Beikraut das ich nutzen konnte. Unkraut darf man keine Pflanze nennen! Wir sind es, die den Nutzen oftmals nicht erkennen, aber jede Pflanze erfüllt irgendwo einen Sinn und viele (wie z.B. die Vogelmiere) schmecken sogar richtig gut. Die Gartensaison 2017 entwickelte sich fantastisch, alles wuchs auf dem frischen und ausgeruhten Boden in bester Qualität. Aus dem Grünschnitt vom Herbst war mittlerweile Kompost geworden den ich vorsorglich mit in jedes Pflanzloch gegeben habe. Die Tage und Wochen vergingen wie im Flug und plötzlich hatte ich Mitte Juni schon meine erste Zucchini-Ernte anstehen. Leute, ich war so stolz! Ich hatte es geschafft, endlich konnte ich anfangen meine Kinder und meine Familie mit ökologischer Nahrung zu versorgen. „Was für ein Segen“ dachte ich mir. Alles lief so glatt, viel harte Arbeit, ja, aber der Moment an dem Du deine ersten Erzeugnisse in den Händen hältst ist ein besonderer Moment. Der Stolz und die Freude überdauern die Ewigkeit, ein Moment den jeder Mensch genießen sollte. Es tut echt gut, es gibt dir Kraft, Motivation und Selbstvertrauen!
Das Grundstück war groß, klar dass ich da natürlich auch ordentlich Pflanzen setzen musste. Wieviel Ertrag ich bekommen würde war mir nicht klar, viele Dinge wie z.B. Kartoffeln, Möhren, Kohl oder Mais habe ich zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal in meinem Leben angebaut. Ich hatte in meinem ersten Garten 2008 nur wenige Kulturen wie Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch, Erbsen, Fenchel, dicke Bohnen, Artischocken, Paprika, Chilis und ein paar Kräuter, das war schon alles. Allerdings in Mengen, um ein ganzes Jahr etwas davon zu haben. Die Vielfalt an verschiedenen Gemüsesorten war jedoch dürftig. Hier war jetzt so viel mehr Platz, also fing ich an mich auszuprobieren. Samen hatte ich vom Opa satt und genug bekommen. Es wurden viele Pflanzen und schnell merkte ich das man auch dementsprechend viel Zeit im Garten verbringen muss um das alles zu pflegen. Es war also der Moment gekommen an dem man sich überlegen muss, wie man diese Aufgabe neben dem regulären Job überhaupt meistern kann. Ich habe nicht lange überlegt und war wie in einem Fluss der mich in neue Gewässer führen wollte. Mit jeder Ernte wuchs mein Selbstvertrauen das ich ein guter Gemüsegärtner bin, mit jedem Fehlschlag lernte ich etwas dazu. Ich war viel draußen in der Natur und realisierte, dass genau hier mein Herz am höchsten schlägt. Immer wenn ich vor meinem Computer saß und meinen Job machte, musste ich an meinen Garten denken. Das Jahr verging wie im Flug, am Ende der Saison hatten wir monatelang nur noch unser eigenes Gemüse gegessen, fast nichts wurde hinzugekauft. Wenn dann war es meistens Obst, weil meine jungen Bäume noch keinen oder sehr wenig Ertrag lieferten. Wir fühlten uns alle richtig gut und gesund. Während im Kindergarten ein Kind nach dem anderen krank wurde, trotzten meine zwei Kinder allen Keimen und Krankheitserregern. Dasselbe war auch bei mir und meiner Frau zu beobachten. Während alle um uns herum Erkältungen, Schnupfnasen und Grippe hatten, blieben wir verschont. Ich denke, das war ein Schlüsselmoment für mich, ich bemerkte das unsere ökologische Lebens, - und Ernährungsweise massiven Einfluss darauf hatte, ob wir krank werden oder nicht. Unser Immunsystem ist die stärkste Waffe gegen Bakterien und Viren. Kann es sein, dass unser frisches und ökologisches Gemüse auch vor Krankheiten schützt? Ja, davon bin ich mittlerweile mehr als überzeugt. Pestizide und Umweltgifte reduzieren die Leistung des Immunsystems, sie schwächen den Organismus des Menschen und in Folge dessen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit zu erkranken. Mit den Pestiziden die uns die Industrie unterjubelt werden wir geschwächt. Die Profiteure sind dieselben Unternehmen, die auch Pestizide produzieren. Sie sind es, die auch die Medikamente zur Behandlung vieler Krankheiten herstellen die durch Pestizide verursacht werden können. Wie der Zufall es wollte wurde zu dieser Zeit über die Verlängerung von Glyphosat gesprochen, es sollte verboten werden und stattdessen wurde es im Alleingang von einem EU-Abgeordneten und CSU-Minister weiter zugelassen. Meine Wut war groß, ich konnte nicht verstehen wie ein Produkt das so stark in der Kritik stand weiter zugelassen werden konnte. Andererseits war ich froh, dass ich nun das Wissen hatte, um meine Familie mit pestizidfreier Nahrung zu versorgen. Während sich Befürworter und Gegner die Köpfe einschlugen, Studien und Gegenstudien die Runde machten, wurde mir schnell klar, dass ich mit meinem Öko-Gartenprojekt auf das richtige Pferd gesetzt hatte. Ich informierte mich viel, doch am Ende kam ich zu dem Entschluss, auf meinen gesunden Menschenverstand zu hören, egal was die Studien um Glyphosat behaupteten. Es kann einfach nicht gesund sein, Erde und Pflanzen mit Pestiziden zu behandeln. Das hat die Natur so nicht vorgesehen. Das kommt alles zu uns zurück, es ist ein Kreislauf in dem nur die großen Konzerne gewinnen, die auch Pestizide und Medikamente herstellen. Die einzige Lösung um aus diesem Teufelskreis zu entkommen ist der ökologische Anbau von Gemüse und Obst im eigenen Garten, denn nur dort kann man die volle Kontrolle behalten. Mit diesem Gedanken erhielt ich enormen Rückenwind mich noch weiter in die Materie einzuarbeiten, zu experimentieren und die kommende Gartensaison zu planen. Einmal pro Woche telefonierte ich mit meinem Opa, berichtete akribisch über Erfolge und Fehlschläge. Er hatte auf alles eine Antwort, eine Lösung und effektive Ratschläge. Ich merkte, dass es ihm gut tat mit mir über den Garten zu sprechen, ich holte ihn sozusagen aus seinem Krankenbett und brachte ihn in meine Traumwelt, von der ich so fasziniert war. Das machte mich stolz. Sein Wissen setzte ich um, optimierte es mit der Zeit immer weiter und erhielt fantastische Ergebnisse. Der Gedanke das ich ein Selbstversorger werden könnte spukte zum ersten Mal in meinem Kopf herum, bestätigt durch reiche Ernten und Zuspruch aus der Familie und der Nachbarschaft. Somit war der Grundstein für eine weitere Steigerung meiner Gartenaktivität gesetzt. Einhergehend mit dem Beschluss meine Gartenaktivität zu steigern, beschloss ich meine Arbeitszeit in der IT für 2018 signifikant zu reduzieren. Statt Vollzeit wollte ich 2018 nur noch Teilzeit in meiner eigenen Firma arbeiten. Die Quintessenz meines ersten Gartenjahres war im Grunde genommen realisiert zu haben das ich mit meinem Job am PC nicht mehr zufrieden war, beziehungsweise immer weniger Erfüllung verspürte. Das unsere Gesundheit durch frisches Gemüse und viel Bewegung im Garten ein Hoch erlebte, dass ich für den Gemüseanbau wahrlich ein begabtes Händchen vorzuweisen hatte und in der Lage war viel Nahrung zu produzieren ohne auf chemischen Dünger oder Pestizide zurückgreifen zu müssen. Ich konnte sogar errechnen das sich unsere Ausgaben um fast 400 Euro monatlich reduziert hatten. Die gelbe Tonne, die immer als erstes voll war wurde nur noch bis zur Hälfte gefüllt bis sie abgeholt wurde. Wir hatten Einsparungen beim Spritverbrauch, weil wir immer seltener einkaufen mussten. Viele positive Impulse bestätigten mich das sich die Mühen im Gemüsegarten auch bezahlt machten und ich auf dem richtigen Weg war meine Familie gesund ernähren zu können.
Fortsetzung: Kapitel I - 2018 Projekt: Selbstversorger
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